Häusliche Gewalt – Erkennen, Verstehen und Handeln
1. Was ist häusliche Gewalt?
Häusliche Gewalt umfasst viel mehr als nur körperliche Übergriffe. Sie zeigt sich in verschiedenen Formen, die oft unterschätzt werden:
- Körperliche Gewalt: Schläge, Tritte, Würgen oder andere Formen der physischen Misshandlung.
- Psychische Gewalt: Ständiges Herabsetzen, Beleidigungen, Manipulation, Einschüchterung und emotionale Erpressung.
- Sexuelle Gewalt: Zwang zu sexuellen Handlungen oder Verweigerung des Rechtes, über den eigenen Körper zu bestimmen.
- Wirtschaftliche Gewalt: Kontrolle über das Geld, finanzielle Abhängigkeit und die Verhinderung, selbstständig Einkommen zu erzielen.
Anna ist seit fünf Jahren in einer Beziehung. Anfänglich war ihr Partner liebevoll, doch im Laufe der Zeit hat er begonnen, sie zu isolieren. Er kontrolliert, wie viel Geld sie ausgibt, kritisiert sie ständig und verbietet ihr, Freunde zu treffen. Obwohl er sie nicht schlägt, fühlt sie sich emotional gefangen und hilflos.
2. Die Dynamik der Gewaltspirale
Häusliche Gewalt folgt oft einem wiederkehrenden Muster. Experten sprechen von einer „Gewaltspirale“:
- Anspannung: Der Täter wird gereizter, Spannungen steigen.
- Gewaltausbruch: Es kommt zu einem Übergriff, verbal oder körperlich.
- Reuephase: Der Täter entschuldigt sich, verspricht, sich zu ändern. Die „Honeymoon-Phase“ beginnt.
- Wiederholung: Die Spannung baut sich wieder auf, und der Kreislauf beginnt von vorne.
Markus wird immer dann aggressiv, wenn er Stress im Job hat. Nach einem Wutanfall, bei dem er seine Partnerin beleidigt oder schlägt, entschuldigt er sich oft reumütig und kauft ihr Geschenke. Eine Zeit lang ist alles friedlich, aber das nächste Mal, wenn er sich überfordert fühlt, eskaliert die Situation erneut.
3. Warum ist es so schwer, sich zu trennen?
Viele Menschen fragen sich, warum Betroffene in gewalttätigen Beziehungen bleiben. Die Gründe sind komplex:
- Emotionale Abhängigkeit: Der Glaube, dass der Partner sich ändern kann oder die Angst, ohne ihn nicht überleben zu können.
- Sozialer Druck: Scham, die Beziehung zu beenden, oder Angst, von Freunden und Familie verurteilt zu werden.
- Kinder: Oft bleiben Betroffene in der Beziehung, um die Familie zusammenzuhalten.
- Finanzielle Abhängigkeit: Viele Betroffene haben kein eigenes Einkommen und sind wirtschaftlich abhängig.
Sarah hat zwei Kinder und einen Vollzeitjob aufgegeben, um sich um die Familie zu kümmern. Obwohl sie seit Jahren von ihrem Ehemann misshandelt wird, hat sie Angst, die Beziehung zu beenden, weil sie sich finanziell nicht in der Lage fühlt, allein für die Kinder zu sorgen.
4. Wie erkennt man häusliche Gewalt bei anderen?
Nicht immer sind die Anzeichen häuslicher Gewalt offensichtlich. Hier sind einige Hinweise:
- Ständige Entschuldigungen für das Verhalten des Partners.
- Isolation von Freunden und Familie.
- Ungeklärte Verletzungen oder eine übermäßig zurückhaltende und ängstliche Körperhaltung.
- Plötzliche Veränderungen im Verhalten oder Aussehen (z. B. Angstzustände, Depressionen).
Lena hat immer ein Lächeln auf den Lippen, aber in letzter Zeit zieht sie sich immer mehr zurück. Sie lehnt Einladungen ab, spricht nie über ihre Beziehung und wirkt oft abwesend. Bei einem seltenen Treffen mit Freunden bemerken diese, dass sie mehrmals nervös auf ihr Handy schaut, als hätte sie Angst vor den Nachrichten ihres Partners.
5. Hilfe und Unterstützung für Betroffene
Es gibt viele Anlaufstellen, die Betroffenen helfen können:
- Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555Rund um die Uhr erreichbar, anonym und kostenlos. Die Helpline bietet Unterstützung für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und informiert über mögliche rechtliche Schritte, Schutzmöglichkeiten und Beratungsstellen.
- Gewaltschutzzentrum Österreich: Jedes Bundesland hat ein eigenes Gewaltschutzzentrum, das Betroffenen rechtliche, psychologische und soziale Unterstützung bietet. Diese Zentren helfen sowohl Frauen als auch Männern, die Gewalt erleben.
- Polizei: Bei akuter Gefahr kann immer die Polizei unter der Notrufnummer 133 gerufen werden. In Österreich gibt es rechtlich die Möglichkeit, den Täter sofort der Wohnung zu verweisen und ein Betretungs- sowie Annäherungsverbot zu erlassen.
- Frauenhäuser Österreich: Unter der Nummer 05 77 22 oder auf der Website des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) kann man Informationen zu Frauenhäusern in ganz Österreich finden.
- Männerberatung: Es gibt auch spezielle Angebote für Männer, die von Gewalt betroffen sind oder Hilfe benötigen, wie z. B. die Männernotrufnummer 0800 246 247.